Am Dienstag, 28. April 2015 findet an der Otto-Ubbelohde-Schule (OUS) in Marburg ein Vortrag zum „Cyber-Mobbing“ statt. Während der Vorbereitung auf die Abendveranstaltung gab uns Julia Frank, Jugendmedienschutzbeauftrage an der OUS, ein Interview zu diesem wichtigen Thema.
Sechs Fragen an Julia Frank
Frau Frank, wie ist aus Ihrer Sicht die Mediennutzung unter den Kindern der Otto-Ubbelohde-Schule verbreitet?
Das ist sehr unterschiedlich. Einige, auch jüngere Kinder nutzen nach eigenen Angaben sowohl Handy wie auch Tablet und Co. zuhause regelmäßig. Viele von ihnen berichten, dass sie dabei Nutzungsregeln mit den Eltern ausgemacht haben, zum Beispiel den Zeitumfang betreffend. Anderen Kindern wiederum stehen die Medien wohl leider scheinbar unbegrenzt zur Verfügung – diese Kinder tätigten auch alarmierende Aussagen, wie zum Beispiel, dass sie ohne diese Geräte abends nutzen zu dürfen, nicht schlafen könnten.
Ein älterer Schüler berichtete mir, dass er sich regelmäßig bis weit nach Mitternacht mit seinem Handy beschäftige. Glücklicherweise handelt es sich hierbei nach meiner Einschätzung um Einzelfälle. Aus meiner Tätigkeit als Jugendmedienschutzbeauftragte weiß ich jedoch, dass das zuletzt genannte Problem an anderen Schulen schon um einiges größer ist als an der OUS.
Pöbeleien unter Schülern gibt es vermutlich schon so lange wie es Schulen gibt. Doch was genau macht die neue Form des Cyber-Mobbings so schlimm?
„Echtes“ Cyber-Mobbing, bei dem die Pöbeleien weit über normale Streitigkeiten hinaus gehen, eskaliert vor allem meist aus dem Grund, dass es sich um keine Face-to-face-Interaktion handelt. Die Diffamierung, Belästigung, Bedrängung und Nötigung geschieht nahezu anonym, die Reaktionen und Gefühle des Betroffenen können nicht konkret wahrgenommen werden und so entsteht eine Distanz, die die Bullies (die Schikanierenden; Anm. d. Red.) zum einen zu ihrem Vorteil nutzen und sie zum anderen die Konsequenzen über ihr Handeln schnell vergessen lassen. Die Hemmschwelle, im Internet jemanden auszulachen, zu verhöhnen und zu beleidigen, ist online einfach geringer, da die soziale Kontrolle, das heißt der Einfluss anderer auf ein Individuum, fehlt oder nicht spürbar ist.
Besonders problematisch ist am Cyber-Mobbing, dass es hinter den Kulissen des realen Lebens geschieht. Oft finden Betroffene keine angemessene Hilfe bei Eltern oder Lehrern, da diesen die Problematik unbekannt ist oder die Kinder die Anzeichen nicht sehen und sie nur selten selbstständig auf Erwachsene zugehen.
Was sind die typischen Anlässe unter Kindern und Jugendlichen für Mobbing und Cyber-Mobbing?
Oft ist es eine lapidare, vielleicht sogar scherzhaft gemeinte, aber beleidigende Aussage über einen anderen, die sich auf dessen Aussehen bezieht wie zum Beispiel zu dick, zu dünn oder fettige Haare, mit der Cyber-Mobbing beginnen kann. Meist bekommt der Betroffene dies gar nicht mit. Der Bullie jedoch erntet für seine Aussage ein paar Lacher unter Freunden, genießt diese Aufmerksamkeit und beginnt, die Schikane auszuweiten. Schnell sind Bilder hoch geladen und mit Kommentaren versehen. Doch was einmal im Netz verbreitet wurde, bleibt auch dort. Auch wegen eines Streits oder aus Rache werden häufig anonym Gerüchte hinter dem Rücken des Betroffenen verbreitet.
Welche Unterstützungsangebote und Ansprechpartner gibt es für betroffene Kinder an unserer Otto-Ubbelohde-Schule?
Zum einen stehe ich den Kindern und Eltern immer für Gespräche zur Verfügung, doch muss meine Funktion als Jugendmedienschutzbeauftragte noch intensiver kommuniziert werden. Glücklicherweise ist der Kontakt zwischen Eltern, Lehrern und Kindern so eng und vertrauensvoll, dass Probleme in einzelnen Klassen bisher sehr offen angesprochen und bewältigt werden konnten. Zudem gibt es in den Klassen 5 und 6 in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe regelmäßig Workshops zum Thema „Facebook und Co.“.
Wie haben Sie sich über virtuelle Gewalt unter Kindern informiert und wie haben Sie sich dazu fortgebildet?
Seit Jahren nehme ich regelmäßig an Fortbildungen und Workshops teil, die sich mit vielfältigen Themen rund um die Mediennutzung und den Medienschutz beschäftigen. Dabei wird jedoch nicht nur die Thematik „virtuelle Gewalt“ in den Vordergrund gerückt – vielmehr geht es darum, die Medien im digitalen Zeitalter in sinnvoller Weise für sich oder unter Umständen im Schulalltag nutzbar zu machen. Im Hinblick auf die Medienerziehung bedeutet das, die Entwicklung der Medienkompetenz der Kinder nicht nur hinsichtlich der Nutzung von Hard- und Software zu unterstützen, sondern sie langfristig auf einen reflexiven und kritischen Umgang mit Medien vorzubereiten. Und hierzu gehört definitiv auch die Thematisierung des sozialen Miteinanders im Netz.
Die mobbingfreie Schule: geht das?
Diese Frage ist schon allein wegen der uneindeutigen und nicht einheitlichen Definition des Begriffs „Mobbing“ schwer zu beantworten. Wo hört ein normaler Streit auf und wo beginnt Mobbing?
Sicher ist jedoch, dass durch verschiedene Systeme sowohl präventiv wie auch intervenierend Mobbing an Schulen weitgehend reduziert werden kann. Zum Beispiel durch Unterstützung durch Ansprechpartner und einen insgesamt offenen Umgang zwischen Schülern, Lehrern und Eltern sowie Unterrichtsprojekte, die bei den Schülern ein Bewusstsein sowie einen reflexiven Umgang mit der Problematik fördern. Zudem wird die Thematik „Sicher im Netz, Umgang in sozialen Netzwerken etc.“ erwartungsgemäß in naher Zukunft als fester Bestandteil im Lehrplan der OUS aufgenommen werden. Hierzu befinden wir uns in enger Zusammenarbeit mit anderen IT-Beauftragten aus dem ganzen Landkreis auf einem guten Weg.
Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen, Frau Frank.
Julia Frank ist Lehrerin und Jugendmedienschutzbeauftragte an unserer sechsjährigen Grundschule Otto-Ubbelohde-Schule in Marburg. Sie hat dazu schon vor drei Jahren diese Ausbildung des Schulamtes absolviert und war Teilnehmerin der ersten Ausbildungsstaffel. In diesem Jahr ist sie eine der Ausrichter und Organisatoren dieser einjährigen Qualifikationsmaßnahme.
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